Manchmal werde ich gefragt: “Wie schreibt man eigentlich ein Gedicht?“
Die Frage ist nicht einfach und nicht erschöpfend zu beantworten. Vor allem ist es von Autor zu Autor und – jedenfalls bei mir – auch von Text zu Text ganz verschieden.
Etwas
fällt ein
in meine Gedanken,
wie ein Stein
in ein Gewässer,
schreibt auf der Spiegelfläche
Zeile um Zeile.
Erstaunt
halte ich das Wellenmuster
auf Papier fest.
Etwas: Das kann ein einzelnes Wort sein, ein Satz oder ein ganzes Gespräch, es kann ein Ereignis sein oder eine Empfindung oder ein Bild.
Gedanken: Manchmal ist das wirklich wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel, manchmal ist es die Frucht konzentrierten Grübelns, das sich fast anfühlt wie eine Meditation.
Zeile um Zeile: Ich habe mir angewöhnt, immer Papier und Stift greifbar zu haben,
damit nichts verloren geht, bis ich aus dem Alltag wieder zurück finde an meinen Schreibtisch.
Erstaunt: Tatsächlich kommt es vor, dass ich nicht immer genau sagen kann, wie ich auf diese oder jene Formulierung gekommen bin. Ich kann das, was dann da steht, genau nachempfinden, aber erklären kann ich es manchmal nicht.
Auf Papier fest: Natürlich werden diese Gedankenwellen dann noch sortiert und komprimiert, sodass der Text kürzer und dichter wird u.s.w.
Aber es gibt auch Ereignisse, die wie Samenkörner sind. Sie brauchen einige Zeit zum Wachsen in meinen Gedanken und sie müssen begossen und gedüngt werden. Manche wuchern dann regelrecht, müssen gestutzt und in Form geschnitten werden.
Im Folgenden lasse ich mir von meinen Lesern über die Schulter schauen bei der Entstehung eines Textes.